Newsletter 2023-48 vom 14. Juli 2023
Sehr geehrte Frau Kollegin,
sehr geehrte Herren Kollegen!
es ist mir gelungen, eine rechtliche Einschätzung einer ausgesprochen professionellen Fachanwältin bezüglich dem Thema Abgasskandal zu erhalten. Frau Rechtsanwältin Julia Hesker bezieht sich in der folgenden Einschätzung auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 26. Juni 2023.
Der Abgasskandal geht in die nächste Runde. Wie Sie aus den Medien möglicherweise erfahren haben, hat der Bundesgerichtshof am 26.06.2023 eine weitere (vermeintliche) „Sensationsentscheidung“ verkündet, welche geschädigten „Diesel-Käufern“ helfen soll, einen Schadenersatz zwischen 5 und 15 % des Kaufpreises von den Fahrzeugherstellern zu verlangen.
Was galt vor der „Sensationsentscheidung“?
Die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verlangte für die Entstehung eines Schadenersatzanspruches -vereinfacht gesagt- die vorsätzliche Verwendung einer illegalen Abschalteinrichtung in der Abgasreinigung. Das Problem: Den Vorsatz musste der geschädigte Fahrzeugkäufer beweisen, was zuletzt selten gelungen ist.
Die Zeiten, in denen Käufer von Fahrzeugen mit dem manipulierten Motor EA189 der Volkswagen-AG einen solchen Vorsatz verhältnismäßig leicht nachweisen konnten, sind längst vorbei.


Was ist neu?
Die neue Entscheidung des Bundesgerichtshofes stellt tatsächlich eine Kehrtwende dar. Der Bundesgerichtshof beugt sich dem Europäischen Gerichtshof und lässt nunmehr ein nur fahrlässiges Verhalten der Fahrzeughersteller zur Anspruchsentstehung ausreichen. Der Fahrzeugkäufer muss nun „nur noch“ das Vorliegen einer gesetzeswidrigen Abschalteinrichtung beweisen.
Der Fahrzeughersteller kann einer Haftung dann nur noch entgehen, indem er das Gericht davon überzeugt, nicht einmal fahrlässig gehandelt zu haben. Hierfür könnte sich der Hersteller insbesondere darauf berufen, dass er fälschlicherweise dachte, er habe legal gehandelt und es habe praktisch keine Möglichkeit gegeben, diesen Irrtum zu vermeiden (sog. “unvermeidbarer Verbotsirrtum”).
Was ist nun zu erwarten?
Es ist anzunehmen, dass es den Herstellern jedenfalls dann gelingt, das Gericht von einem solchen Irrtum zu überzeugen, wenn auch das Kraftfahrtbundesamt bis heute nicht davon ausgeht, dass die verwendete Abschalteinrichtung illegal ist und entfernt werden muss.
Wie sich der jeweilige Fahrzeughersteller entlasten kann, ist vom Bundesgerichtshof nicht abschließend geklärt worden, sondern muss nun von den Landgerichten und Oberlandesgerichten im Einzelfall anhand des anwaltlichen Vortrags geprüft werden.


Was sollten Sie jetzt unternehmen?
Sollten Sie über ein Dieselfahrzeug mit Erstzulassung zwischen 2008-2020 verfügen, für welches aber kein verpflichtender Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt vorliegt, sollte eine Klageerhebung wohl überlegt sein und zunächst die weitere Entwicklung der Rechtsprechung abgewartet werden. Insbesondere bei viel gefahrenen Fahrzeugen wird der Schadenersatz von 5-15 % wohl noch einmal deutlich reduziert werden. Eile wäre nur dann geboten, wenn der Fahrzeugkauf bald zehn Jahre zurückliegt. Auch zum Jahresende macht es Sinn sich noch einmal mit der Thematik zu befassen, da auch zum Jahresende eine Verjährung drohen könnte.